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Predigt zu Karfreitag und Ostern

Predigttext (2. Korinther 5, 14-21)

14 Die Liebe Christi drängt uns, da wir erkannt haben, dass einer für alle gestorben ist und so alle gestorben sind. 15 Und er ist darum für alle gestorben, damit, die da leben, hinfort nicht sich selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben ist und auferweckt wurde.

16 Darum kennen wir von nun an niemanden mehr nach dem Fleisch; und auch wenn wir Christus gekannt haben nach dem Fleisch, so kennen wir ihn doch jetzt so nicht mehr. 17 Darum: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.

18 Aber das alles ist von Gott, der uns mit sich selber versöhnt hat durch Christus und uns das Amt gegeben, das die Versöhnung predigt. 19 Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit ihm selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung.

20 So sind wir nun Botschafter an Christi statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott! 21 Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt.[i]

 

Liebe Gemeinde!

In diesen Tagen hören wir auf allen Nachrichtenkanälen nichts anderes als „Corona-Virus und seine Folgen“. Und wahrscheinlich müssen wir es so oft hören, damit es bei uns ankommt, wie ernst die Lage eigentlich ist. Politiker, die zu Anfang locker darüber hinweggegangen sind und die Pandemie verharmlost hatten, wurden bald eines besseren belehrt. Die stetig steigende Zahl von Todesfällen kann uns Angst machen, und soll es vielleicht auch, damit wir die strickten Hygiene-Regeln einhalten. Die helfen uns, damit wir möglichst weder uns selbst noch andere anstecken. Ich bin dankbar, dass unsere Ärzte und Politiker so besonnen sind, keine Panik machen, aber doch unermüdlich auf den Ernst der Lage hinweisen.

Wir erleben gerade eine Passionszeit und Karwoche, die uns zeigen, wie schwach wir sind gegen die Naturgewalten. Sie zeigen sich heute in der Macht eines noch so kleinen Virus und bringen uns an unsere Grenzen.

Ein Arzt in Italien, der von Haus aus eigentlich Atheist war, spricht nun von seiner Ohnmacht dem Tod gegenüber. Verzweifelt sucht er Frieden angesichts dieser unmenschlichen Katastrophe. Und er findet sie durch einen 75 jährigen Priester, der virus-infiziert in sein Hospital eingeliefert wurde. Er hatte seine Bibel dabei und las den anderen Kranken daraus vor. Überlebt hat er es nicht, aber er gab vielen Trost, auch dem Arzt. Am Ende bekennt dieser: „Ich erkenne meine Wertlosigkeit auf dieser Erde an und möchte meinen letzten Atemzug erst machen, nachdem ich anderen geholfen habe. Ich bin froh, zu Gott zurückgekehrt zu sein, während ich vom Leiden und Tod meiner Mitmenschen umgeben bin."[ii]

Der Tod und das neue Leben im Zeichen der Auferstehung Jesu Christi liegen nahe beieinander, genauso wie Karfreitag und Ostern. Betrachten wir heute beides.

Der Apostel Paulus sagt im 2. Brief an die Korinther (Kapitel 5):

16 „Wir kennen von nun an niemanden mehr nach fleischlicher Weise. Selbst wenn wir Christus gekannt hätten nach dem Fleisch, - also in seinem irdischen Leben - so kennen wir ihn doch jetzt so nicht mehr. 17 Darum: Ist jemand in Christus, so ist er eine Neuschöpfung. Das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden.“ (eigene Übersetzung)

Paulus versteht sich selbst und jeden anderen Christen als eine „Neuschöpfung“, eine „neue Kreatur“, wie Luther übersetzt. – Als Paulus Christ wurde, hat Christus ihm Glauben und Vertrauen geschenkt, die Sünden vergeben und ihn mit Kraft zur Liebe stark gemacht. Er hat ihn im Herzen angerührt und sein Herz verwandelt. Und war das Herz einmal neu, da wurde alsbald auch der ganze Mensch neu.

Deshalb wollte Paulus nicht nach den üblichen Maßstäben der Beredsamkeit und nach seinem äußeren Erscheinungsbild beurteilt werden, wie es die Korinther taten. Jeder Christ hat seine Fehler und ist doch vor Gott ein neuer Mensch. Und so soll er auch gesehen werden: NEU, neu soll er erkannt werden, denn Gott urteilt auch ganz neu über den Menschen, seit Christus sich für uns eingesetzt hat.

2.

„Denn Gott hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt.“ (v 21)

Gott selbst veranlasste das Opfer Jesu für unsere Sünde. Aus Liebe zu uns gab er Jesus, den wahrhaft Gerechten, dahin für die Unge­rechten. Und Jesus nahm gehorsam unsere Sünden vor Gott auf sich, trug sie für uns, ja, er wurde selbst – als Person – zur Sünde gemacht. Deshalb musste er sterben, denn alle Sünde muss sterben. Gott lässt sie nicht zu. Dort am Kreuz starben mit ihm die Sünden aller Menschen. Dort am Kreuz wurden sie ausgelöscht.

Paulus geht so weit zu sagen:

"Einer  ist für alle gestorben, also sind sie alle gestorben.“ (v14).

Wir leben zwar noch, aber Paulus meint, dass Christus stellvertretend für uns starb, an unserer Stelle. Gott rechnete mit ihm unsere Sünden ab.

Und wenn wir einmal vor Gottes Thron stehen im Jüngsten Gericht, dann schaut Gott nicht mehr auf unsere Sünden, sondern auf Christi Gerechtigkeit.

Das ist der Weg Christi, der uns zu einem neuen Leben befreit. Wir dürfen leben, können uns freuen, denn wir sind durch Christus mit Gott im Reinen. Denn wem die Sünden vergeben sind, der ist gerecht vor Gott, der ist ihm angenehm – oder wie Paulus sagt: der ist „versöhnt mit Gott“.

3.

Was wollen wir da noch sagen? – Gott stopft uns den Mund, wenn wir mit anderen schmutzige Wäsche waschen, gegenseitig Fehler aufrechnen und andere verurteilen. Wir haben nichts an denen auszusetzen, die Gott lieb und angenehm sind. Das sollten wir bedenken, wenn wir wegen der Ausgangs­beschränkungen oder Krankheit im Haus fest sitzen, wenn Familienmitglieder sich wegen der räumlichen Enge gegenseitig auf die Nerven gehen.

Wie viel leichter wird das Leben zweier Menschen z.B. in einer Ehe, wenn sie sich nicht mehr gegenseitig Vorhaltungen machen und auf den Fehlern des anderen herumhacken. Wie viel leichter wird es, wenn sie im Streit voreinander zugeben können:

„Ja, ich habe Fehler gemacht, wir haben beide Fehler gemacht. Bitte, vergib mir, denn Christus vergibt uns auch. Ich will dich lieben, denn Gott liebt uns beide. Das ist unsere Chance, in Frieden zu leben.“

Dann beginnt ein neues Leben: ein Leben in der Vergebung, mit neuer Kraft und neuer Liebe. – Ein Leben in der Vergebung ist ein Leben in der Versöhnung mit Gott. „Vergebung“ und „Versöhnung“ drücken in der Sprache der Bibel praktisch das gleiche aus. – Paulus schreibt:

„Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung.“ (v 19)

Gott selbst ist der Handelnde, wir die Empfänger! Wenn Gott uns anbietet, unsere Schuld zu vergeben – was er ja gar nicht nötig hätte – dann will er uns zeigen, dass er es gut mit uns meint. Dann will er wieder mit uns Freund sein, auch wenn uns vielleicht bisher gar nichts an seiner Freundschaft gelegen hat.

4.

Gott unternahm den ersten Schritt, beugte sich herab zu uns und suchte die Nähe mit uns Menschen. Auch heute sucht Gott unsere Nähe, auch heute spricht er mit uns. Der Prediger ist sein Bote und überbringt sein Wort. Darum ist es eigentlich Christus, der hier spricht und euch bittet:Lasst euch versöhnen mit Gott!“  Er bittet euch, er bedrängt euch nicht! Christus kann die Freundschaft mit uns nicht fordern, er kann sie nur anbieten.

Auch wir können die Freundschaft mit ihm nicht erzwingen. Wir können sie nicht einmal anbieten. Wir können sie nur annehmen, einwilligen in den freundlichen Willen Gottes. Und das ist „Glauben“. – Glauben und Vertrauen auf Christus heißt: Die neu gewonnene Freundschaft mit Gott annehmen und leben.

Als Christen sind wir – wie gesagt – eine Neuschöpfung Gottes, bestimmt für ein neues Leben in Vergebung und Versöhnung. Das atmet für mich schon jetzt die frische Luft der Auferstehung und Hoffnung, die frohen Farben von Ostern. „Christus lebt, mit ihm auch ich!“ (vgl. 2. Kor. 13, 4)

Es wird uns leichter ums Herz. Dankbarkeit und Freude stellen sich ein. Wir danken Gott und loben ihn, auch zu Hause, wenn die Kirche geschlossen bleiben muss. Und Gott schenkt uns Kraft und Mut, das tägliche Leben mit seinen Herausforderungen und Problemen anzupacken.

Dann erinnern wir uns, dass er uns auch einen Auftrag gegeben hat, nämlich die Liebe zu unseren Mitmenschen. In unserm Text heißt es:

Und er ist darum für alle gestorben, damit, die da leben, hinfort nicht sich selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben ist und auferweckt wurde. (v 15)

Ein Leben für Christus ist ein Leben im Dienst für unseren Nächsten. Die Freude über das Heil in Christus beflügelt uns zur Hingabe an unsere Mitmenschen. Und der Weg Jesu, der nicht in der Sackgasse des Todes endet, sondern in die Auferstehung führt, macht uns stark und zuversichtlich. Liebe üben bedeutet Einsatz und Aufopferung, auch Zurückstecken der eigenen Wünsche, und Fragen nach den Bedürfnissen des Anderen. Das ist nicht leicht, aber mit Gottes Hilfe kann es gelingen.

Denken wir einmal darüber nach, wer jetzt, heute oder in allernächster Zeit unsere Liebe dringend braucht; wer sich wieder einmal über einen Brief, einen Telefonanruf oder einen Besuch von uns freuen würde.

Unsere Liebe wird überall dringend gebraucht: In unserer Familie, in der Verwandtschaft, in der Nachbarschaft, in der Gemeinde, im Freundeskreis, am Arbeitsplatz, im Krankenhaus, im Altersheim, in der Politik.

Wir können auch, statt von der Liebe, vom Frieden reden. Denn Frieden ist das Ziel, das Heil, der Zustand der Versöhnung. Der Frieden in der Welt, der Frieden zwischen Menschen und Völkern, wächst aus dem Frieden in uns selbst, aus dem Frieden, den Gott mit uns geschlossen hat, aus unserer Versöhnung mit Gott.

6.

Merkt ihr, wie wichtig es ist, auf die Bitte Jesu einzugehen? „Lasst euch versöhnen mit Gott.“ – Als versöhnte Christen macht Gott uns stark, an dem Versöhnungswerk Gottes mitzuhelfen. Er nimmt uns hinein ins Leben der Auferstehung, um der Macht des Todes zu trotzen. Er macht uns stark, um versöhnlich zu leben und anderen zu helfen, die schweren Zeiten zu überwinden. Unser entschlossenes Eintreten für die Einsamen und Hilflosen, für die Armen und Hungernden, - dieses Engagement für ein gelingendes Miteinander unter uns Menschen ist das neue Leben in Christus.

Dazu gebe Gott uns seinen Segen.

Amen.



[i] Die Bibel nach Martin Luthers Übersetzung, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.

Die Verwendung des Textes erfolgt mit Genehmigung der Deutschen Bibelgesellschaft.

[ii] ZEIT ONLINE, Beistand statt Social Distancing, vom 25.03.2020, abgerufen am 06.04.2020